Epilepsie im Alter
Wegen der zunehmenden Lebenserwartung nehmen auch Inzidenz und Prävalenz der Epilepsie im Alter zu. In Deutschland ist die Entstehung von Epilepsie im Alter mittlerweile die größte Gruppe. Es handelt sich nahezu ausschließlich um symptomatische Epilepsien fokalen Ursprungs. Ursächlich liegen bei 50–70 % der Patienten ischämische Hirninsulte zugrunde. Bei jeweils 5–10 % finden sich intrazerebrale Blutungen, Gehirntumoren oder neurodegenerative Erkrankungen. Weitere 5 bis 10 % der Anfälle treten als symptomatische Gehirnaffektion bei internistischer Grunderkrankung auf. Die Besonderheiten der Therapiesituation ergeben sich aus den folgenden Faktoren:
- Multimorbidität
- reduzierte Patientencompliance (z. B. Gedächtnisstörungen)
- erhöhte Vulnerabilität gegenüber Nebenwirkungen
- erhöhte Vulnerabilität bei auftretenden Anfällen
- hohe Rezidivquote der Anfälle (>70 %)
Hieraus ergeben sich folgende Besonderheiten der Therapiesituation:
- Schon nach dem ersten Anfall therapieren.
- Verstärkt auf medikamentöse Interaktionen achten.
- Die Initialdosis kann oberhalb des 65sten Lebensjahres um ca. 50 % gegenüber derjenigen junger Erwachsener reduziert werden.
- vermehrte Verwendung von Medikationshilfen (z. B. Dosetten)
- intensivere Beratung und Beteiligung von Begleitpersonen
- Therapieprobleme entstehen häufig durch mangelhafte Medikamentencompliance (Unter- oder Überdosierung).
Begleitende internistische Erkrankungen:
Herz
Der AV-Block 2. und 3. Grades sind Kontraindikationen für die Anwendung von Carbamazepin oder Phenytoin. Auch bei anderen bradykarden Herzrhythmusstörungen sollten beide Substanzen mit Zurückhaltung eingesetzt werden. Zu beachten ist ferner, dass bei gleichzeitiger Therapie mit Verapamil, Cimetidin, Diltiazem und Erythromycin der Serum-Carbamazepin-Spiegel erhöht sein kann.
Leber
Erst bei hochgradiger Leberschädigung oder im akuten Leberversagen ist ein Absetzen der hepatisch metabolisierten Antikonvulsiva indiziert. Hier sollte auf ein Antikonvulsivum mit renaler Elimination umgestellt werden (Gabapentin, Levetiracetam, Topiramat, Vigabatrin, Zonidamid). Bei bekannter familiärer Leberdysfunktion sind Felbamat und Valproinsäure wegen ihrer Hepatotoxizität mit zum Teil letalem Ausgang kontraindiziert. Bei Hepatoencephalopathien kann es zu fokal eingeleiteten sekundär-generalisierten Anfällen und zum Status epilepticus kommen.
Niere
Das akute und chronische Nierenversagen kann zu epileptischen Anfällen führen. Bei einer Einschränkung der glomerulären Filtrationsrate muss die Dosis der renal eliminierten Antikonvulsiva Vigabatrin, Gabapentin und Topiramat reduziert werden. Auch unter der Dialyse kann es in Folge der Elektrolytverschiebungen (Dysequilibrium-Syndrom) zu Anfällen kommen. Nach der Dialyse sollten die Serumspiegel der Antikonvulsiva bestimmt werden. Während Carbamazepin, Phenytoin und Valproinsäure nicht deutlich absinken, muss bei Ethosuximid und Phenobarbital mit einer halben Tagesdosis nachdosiert werden.