Begleitende psychiatrische Störungen
Bei vielen Patienten mit Epilepsie kommt es zusätzlich zu psychiatrischen Störungen. Diese können bedingt sein durch:
- die unterlagernde Gehirnerkrankung,
- die Epilepsie oder heftige interiktale Entladungen,
- Nebenwirkungen der antikonvulsiven Medikation oder
- psychoreaktiv auf die Erkrankung.
Am häufigsten sind Depressionen und Psychosen.
Depressionen
Depressionen sind bei gewissen epileptischen Syndromen erhöht. Etwa 15–35 % der Patienten mit Temporallappen-Epilepsie leiden darunter. Die Trias komplex-fokale Anfälle, Gedächtnisstörungen und Depression wird von einigen Autoren als Temporallappen-Syndrom bezeichnet. Die Depression kann vor einem Anfall oder danach verstärkt sein. Insgesamt ist die Suizidrate erhöht. Die Depression findet sich zumeist in einer Größenordnung von 5–10 % als Nebenwirkung gewisser Antikonvulsiva. Am häufigsten tritt sie bei Carbamazepin, Phenytoin, Phenobarbital, Primidon, Vigabatrin und Tiagabin auf.
Therapeutisch können alle handelsüblichen Antidepressiva eingesetzt werden. Primär zu empfehlen sind Citalopram und Mirtaazpine. In der Medikamentenbeschreibung wird nahezu konstant auf eine Senkung der Krampfschwelle durch die jeweilige Substanz hingewiesen. Diese zumeist tierexperimentelle Beobachtung hat sich in der Praxis jedoch als nicht besonders relevant erwiesen. Selbst wenn es in seltenen Fällen zu einem geringfügigen Anstieg der Anfallsfrequenz kommt, wird die Aufhellung der Stimmung von den Patienten als der wesentliche Gewinn an Lebensqualität empfunden.
Psychosen
Psychosen kommen zumeist bei schwer betroffenen, therapieresistenten Epilepsiepatienten in einer Häufigkeit von 2–5 % vor. Sie haben zumeist schizophreniformen Charakter, fluktuieren und zeigen floride Episoden mit dann meist paranoid-halluzinatorischer Symptomatik. Die meisten psychotischen Episoden werden durch heftige Anfallsaktivität ausgelöst. Eine Verbesserung der antikonvulsiven Therapie führt hier gleichzeitig zur Verbesserung der Psychose. Ob es wirklich die so genannte alternative Psychose gibt, bei der der Patient entweder unter Anfällen oder „alternativ“ dazu unter einer Psychose leidet, ist unklar. Sie ist zumindest extrem selten. Non-konvulsive epileptische Staten können rein formell als iktale Psychose bezeichnet werden. Leitsymptome sind die fluktuierende Desorientierung, psychomotorische Verlangsamungen und Amnesie. Psychosen kommen in 1–5 % als Nebenwirkungen gewisser Antikonvulsiva vor, zu nennen sind: Vigabatrin, Tiagabin, Barbiturate, Ethosuximid, Zonisamid. Therapeutisch werden bei florider Symptomatik hochpotente Neuroleptika (z. B. Risperdal) appliziert. Mittel der Wahl für eine Sedierung ist Melperon, da hierdurch die Krampfschwelle nicht beeinflusst wird.