Interessante Fälle

Autor/Institution:

Prof. Dr. A. Hufnagel

Leitender Oberarzt der Neurologischen Universitätsklinik Essen

Vorgeschichte:

Herr C. K. (30 Jahre alt) kam zur akuten stationären Aufnahme, nachdem am Arbeitsplatz ein sekundär-generalisierter tonisch-klonischer Anfall aufgetreten war, der von Arbeitskollegen des Patienten typisch geschildert wird. Unmittelbar nach der Aufnahme traten während der EEG-Untersuchung zweimal hintereinander am linken Arm fokal eingeleitete dann sekundär-generalisierte tonisch-klonische Anfälle auf, die jeweils spontan sistierten.

Anamnese:

Es war zu erfahren, dass ein erster generalisierter tonisch-klonischer Anfall im Alter von 21 Jahren registriert wurde. Unmittelbar vorausgegangen war eine Phase vermehrter frontaler Kopfschmerzen, die für den Patienten untypisch waren. Eine apparative diagnostische Abklärung erfolgte zu diesem Zeitpunkt jedoch nicht, so dass die Ätiologie unklar verblieb. Das Auftreten einer blanden Encephalitis oder einer Sinusvenenthrombose zu diesem Zeitpunkt wird für wahrscheinlich gehalten.
Sekundär-generalisierte tonisch-klonische Anfälle seien mit einer Häufigkeit von ca. einem Anfall pro Jahr während der vergangenen 9 Jahre aufgetreten. Zudem bestand ein zweiter, einfach-fokaler Anfallstyp mit Verkrampfung der linken Hand, Kopfwendung nach links, Spracharrest, jedoch ohne Bewusstseinsverlust mit einer Dauer von 2-5 Minuten. Ca. 8-12 dieser Anfälle seien pro Jahr aufgetreten. Während der ersten Jahre wurde er mit Carbamazepin bis 1200 mg/Tag und später Lamotrigin bis 200 mg / Tag behandelt. Hierunter sei es zu keiner Beeinflussung der Anfallsfrequenz gekommen. Im Alter von 28 wurde auf eine Kombinationstherapie bestehend aus Carbamazepin und Levetiracetam umgestellt. Bei einer Dosierung von 1500 mg Levetiracetam pro Tag sei es zu einer ausgesprochenen Müdigkeit gekommen. Der Patient wurde dann auf eine Monotherapie mit Topiramat 2 x 25 mg pro Tag umgestellt. Diese Medikation bestand zum Zeitpunkt der stationären Aufnahme als die Serie von 3 sekundär-generalisierten tonisch-klonischen Anfällen beobachtet wurde.

Diagnostik:

EEG: Alpha-EEG ohne Herdbefund und ohne epilepsietypische Potentiale im Intervall. Registrierung eines Anfalls, bestehend aus rhythmischen Thetawellen, der fokal von rechts fronto-temporal eingeleitet wurde und nach ca. 30 Sekunden sekundär generalisierte.

Computertomographie des Kopfes (nativ):
Es stellt sich eine kleine thrombosierte Brückenvene frontal dar mit dem Verdacht auf eine minimale Blutansammlung.

Laborchemische Untersuchungen waren unauffällig.

Verlauf:

Im Rahmen des stationären Aufenthaltes wurde zunächst die Topiramat-Monotherapie auf 50 – 0 – 50 mg pro die erhöht. Bei einer ambulanten Kontrolle nach 3 Monaten berichtet der Patient zunächst von einer unbefriedigenden Anfallssituation. Es sei wöchentlich zum Auftreten generalisierter tonisch-klonischer Anfälle gekommen und ein- bis dreimal täglich zu den oben beschriebenen einfach-fokalen Anfällen. Der Patient führt die Verschlechterung der Anfallssituation auch auf beruflichen Stress zurück (Mobbing am Arbeitsplatz). Es erfolgte danach die zusätzliche Kombinationstherapie mit Oxcarbazepin in einer Dosierung von 3 x 300 mg pro Tag.

Die Kombinationstherapie aus Oxcarbazepin (Trileptal) 3 x 300 mg pro Tag und Topiramat (Topamax) 50 mg 1-0-1 Tbl. pro Tag führte zur unmittelbaren und vollständigen Anfallsfreiheit. Die Beobachtungszeit seither beträgt 14 Monate. Es werden keinerlei Nebenwirkungen angegeben (Rainesalo et al, 2005, Herranz et al, 2004). Bemerkenswert ist, dass die Kombinationstherapie aus Topiramat und Oxcarbazepin zum Erfolg führte obgleich durch eine Monotherapie mit Carbamazepin keine Anfallsfreiheit zu erzielen war. Darüber hinaus ließ sich in bei diesem Patienten erkennen, dass vermehrter Stress (hier Mobbing am Arbeitsplatz) zu einer Verschlechterung der Anfallsituation führen kann.

 

Literatur:

Rainesalo S, Peltola J, Auvinen A, Keranen T. Retention rate of oxcarbazepine monotherapy in an unselected population of adult epilepticus. Seizure 2005 Jan;14(1):72-4.

Herranz JL, Argumosa A, Salas-Puig J, Grupo Espanol del Estudio TRINOVA. Oxcarbazepine in monotherapie in 324 patients with partial seizures. Rev Neurol 2004 Oct 1-15;39(7):601-6.