Das Wichtigste über Gabapentin
Zusammenfassung:
Gabapentin ist eines der neueren Medikamente gegen Epilepsie und ein Mittel, das bei Herdepilepsien als einziges Medikament (Monotherapie) oder in Kombination mit anderen Medikamenten gegeben werden kann.
Gabapentin ist ein Medikament, das im Gegensatz zu den meisten anderen Anti-Epilepsie-Medikamenten dreimal pro Tag gegeben werden muss.
Gabapentin ist allgemein sehr gut verträglich. Häufigere Nebenwirkungen sind beispielsweise Müdigkeit, Schwindel, Übelkeit, unsicherer Gang und Augenzittern.
Gabapentin kann mit allen anderen Anti-Epilepsie-Medikamenten kombiniert werden, wenn dies notwendig ist.
Gabapentin wird durch andere Medikamente in der Wirksamkeit nicht beeinflusst.
Gabapentin verträgt sich mit anderen Medikamenten gut; lediglich bei der Einnahme von bestimmten Medikamenten gegen Sodbrennen (Antacida) darf die Einnahme von Gabapentin nicht zeitgleich erfolgen.
Die Wirkung der Antibabypille wird durch Gabapentin nicht abgeschwächt, so dass eine andere Verhütungsmethode zusätzlich oder stattdessen nicht notwendig erscheint.
Zur Frage der Gabe in der Schwangerschaft liegen derzeit noch nicht genügend Daten vor, um eine endgültige Aussage treffen zu können. Es liegen jedoch keine Befunde vor, die sicher eine erhöhte Fehlbildungsrate nahelegen würden. Dies bedeutet jedoch nicht, dass Gabapentin in der Schwangerschaft grund-sätzlich unproblematisch ist.
Gabapentin kann auch bei älteren Patienten gut gegeben werden.
Unter welchem Namen ist Gabapentin im Handel erhältlich?
Gabapentin ist als Gabax® und Neurontin® in Deutschland erhältlich.
Wie wirkt Gabapentin?
Gabapentin ist ein Medikament, das die Erregungsleitung von Nervenzellen hemmt.
Es gibt zwischen Nervenzellen verschiedene chemische Substanzen, die die Erregung von einer Zelle auf die andere übertragen. Hierbei gibt es Substanzen, die eine Erregung der nachfolgenden Zelle verstärken (z.B. Glutamat) und solche, die in nachfolgenden Zellen die Erregung hemmen (z.B. GABA). Gabapentin ist ähnlich aufgebaut wie GABA und verstärkt dessen Ausschüttung, so dass die Erregungsausbreitung in den Nervenzellen gehindert wird. Allerdings ist der exakte Wirkmechanismus noch nicht abschließend geklärt.
Welche Anfälle/Epilepsieformen lassen sich mit Gabapentin behandeln?
Gabapentin ist ein Medikament, das in der Behandlung herdförmiger Epilepsien eingesetzt wird. Es kann als einziges Medikament
gegeben werden (Monotherapie) oder in Kombination mit anderen Medikamenten. Bei primär generalisierten Epilepsien wie Absencen ist Gabapentin nicht ausreichend wirksam und darf daher nicht eingesetzt werden.
Für wen ist Gabapentin zugelassen?
Gabapentin ist für Patienten ab 12 Jahren mit fokalen und sekundär generalisierten Anfällen als einziges Medikament (Monotherapie) oder als Zusatzmedikament zugelassen. Zudem darf es bei Kindern ab 3 Jahren als Zusatzmedikament gegeben werden. Gabapentin kann mit allen anderen Medikamenten gegen Epilepsie gut kombiniert werden.
Wer darf nicht mit Gabapentin behandelt werden?
Gabapentin darf bei einer Überempfindlichkeit (Allergie) gegen Gabapentin oder einen der Hilfsstoffe in der Tablette nicht gegeben werden. Zudem sollte es bei Kindern unter 3 Jahren in der Kombinationsbehandlung oder bei Kindern unter 12 Jahren in der Monotherapie, das heißt Behandlung mit Gabapentin als einzigem Medikament, nicht gegeben werden.
Patienten, die eine Bauchspeicheldrüsen-entzündung haben (Pankreatitis), dürfen Gabapentin nicht erhalten. Patienten mit primär generalisierten Anfallsformen wie Absencen dürfen Gabapentin nicht einnehmen. Ebenso ist Gabapentin nicht geeignet für Patienten, die die seltene Stoffwechselerkrankung Galaktosämie (Galaktose-Unverträglichkeit) haben. Bei Patienten mit einer Einschränkung der Nierenfunktion muss die Gabapentindosis an die Nierenfunktion angepasst werden; eine Nierenfunktionsstörung ist aber kein genereller Grund, Gabapentin nicht zu geben.
Wie gut wirkt Gabapentin?
Gabapentin ist ein seit mehr als 10 Jahren verfügbares neues Medikament in der Epilepsie-Behandlung, daher ist die Erfahrung noch nicht so groß wie mit z.B. Valproinsäure oder Carbamazepin. Gabapentin scheint nicht die Wirkstärke zu haben wie Carbamazepin, das ebenfalls bei Herdepilepsien gegeben werden kann. Trotzdem ist Gabapentin als gut wirksames Medikament zu betrachten. Insbesondere bei älteren Patienten wird es gerne gegeben, weil es sich mit fast allen anderen Medikamenten verträgt.
Gabapentin gibt es nur als Tabletten oder Kapseln, so dass eine rasche Aufdosierung als Infusion in der Notfallsituation, z.B. beim Status epilepticus oder bei einer Anfallsserie nicht möglich ist. Jedoch kann Gabapentin rasch aufdosiert werden, so dass schon nach wenigen Tagen die Höchstdosis erreicht werden kann und eine Wirksamkeit so schnell eintritt.
Was sind die wichtigsten Nebenwirkungen von Gabapentin?
Gabapentin ist allgemein sehr gut verträglich.
Seltenere Nebenwirkungen sind Schwindel, Doppelbilder, Müdigkeit, Schwächegefühl, Augenzittern, Übelkeit und Erbrechen sowie Kopfschmerzen. Zudem kann es zu Gewichtsveränderungen kommen. Seltener kommt es zu Durchfall, Gedächtnisstörungen oder Sprechstörungen.
Wie wird Gabapentin aufdosiert?
Gabapentin kann relativ rasch aufdosiert werden, d.h. innerhalb weniger Tage.
Üblicherweise beginnt man bei Erwachsenen und Kindern ab 12 Jahren mit 300 mg/Tag und steigert zunächst täglich um 300 mg auf 900 mg. Man kann aber auch direkt 3x300 mg geben. Danach kann die Dosis innerhalb einer Woche auf 1800 mg gesteigert werden. Die Höchstdosis beträgt 3600 mg pro Tag.
Bei Kindern unter 12 Jahren beginnt man mit 10 mg/kg pro Tag, dies wird innerhalb von 3 Tagen auf 30 mg/kg pro Tag gesteigert. Die Dosis kann danach auf bis zu 35 mg/kg pro Tag erhöht werden. Die jeweiligen Tages-gesamtdosen müssen auf 3 Einnahmen verteilt werden.
Welche Tagesdosen sind sinnvoll?
Wie bei den meisten Anti-Epilepsie-Medikamenten, wird auch bei Gabapentin zunächst auf mittlere Dosisbereiche aufdosiert.
Angestrebt werden folgende Dosisbereiche:
Bei Erwachsenen und Kindern ab 12 Jahren gibt man zunächst 900-2400 mg pro Tag. Bei Kindern von 3-12 Jahren etwa 30 mg/kg pro Tag. Bei Erwachsenen kann zunächst auf 2400 mg/Tag und falls erforderlich auf bis zu 3600 mg/Tag gesteigert werden.
Im Einzelfall muss diese generelle Richtlinie nach Wirkung und Nebenwirkung abgewandelt werden. Prinzipiell werden alle Antikonvulsiva bis zur Anfallsfreiheit aufdosiert oder bis zu einer Dosis, bei der Nebenwirkungen auftreten. Wenn letzteres passiert, wird die Dosis auf das zuletzt vertragenen Niveau verringert. Wenn dann noch weitere Anfälle auftreten, ist eine vollständige Wirksamkeit des Medikaments nicht gegeben, so dass ein anderes Anti-Epilepsie-Mittel stattdessen oder zusätzlich gegeben werden kann oder muss.
Gibt es Wechselwirkungen oder Unverträglichkeiten mit anderen Medikamenten (hauptsächlich anderen Anti-Epilepsie-Medikamenten)?
Gabapentin verhält sich sehr neutral in Kombination mit anderen Medikamenten. Ein Einfluss auf andere Anti-Epilepsie-Medikamente ist nicht bekannt.
Lediglich bei der Behandlung mit Aluminium- oder Magnesium-haltigen Medikamenten zur Behandlung des Sodbrennens muss die Einnahem von Gabapentin 2 Stunden nach der des Magensäuremedikaments erfolgen.
Ist es sinnvoll, die Blutspiegel zu kontrollieren?
Spiegelkontrollen von Gabapentin sind nicht notwendig.
Gibt es in der Schwangerschaft etwas zu beachten?
Schwangerschaften bei Epilepsie-Patientinnen sind generell Risikoschwangerschaften, da das Kind durch gewisse Medikamente gefährdet sein kann.
Gabapentin ist ein Medikament, über das in der Schwangerschaft derzeit keine sicheren Aussagen gemacht werden können.
Es liegen zwar keine Berichte über eine Häufung von Fehlbildungen während der Behandlung mit Gabapentin vor, aber dies heißt nicht, dass Gabapentin in der Schwangerschaft empfohlen werden kann. Daher kann derzeit keine Empfehlung gegeben werden, Gabapentin in der Schwangerschaft anderen Medikamenten vorzuziehen. Vor Eintreten einer Schwangerschaft sollte ein Beratungsgespräch stattfinden, um zu klären, ob der Nutzen das Risiko übersteigt und Gabapentin weiterhin gegeben werden soll. Eine Umstellung auf ein anderes Medikament ist nur möglich, wenn rechtzeitig vor einer Schwangerschaft mit der Umstellung begonnen wird.
Umstritten ist, ob die Einnahme von Folsäure (2,5-5 mg/Tag) einen zusätzlichen Schutz bietet und daher bei Frauen, die Gabapentin nehmen, aktuell empfohlen werden sollte. Da dies jedoch möglich ist, wird es derzeit den Patientinnen empfohlen.
Vermieden werden sollte in jedem Fall - wenn dies möglich ist - die Einnahme von mehreren Medikamenten gegen Epilepsie gleichzeitig, da sie zu einer deutlichen Steigerung des Risikos auf Fehlbildungen führt.
Muss man sonst noch etwas beachten?
Gabapentin kann das Reaktionsvermögen herabsetzen. Daher muss beim Führen eines Fahrzeuges (soweit dies erlaubt ist!) oder der Bedienung von Maschinen bedacht werden, dass es zu Gefahrensituationen kommen kann und entsprechend vorsichtig gehandelt werden bzw. die Tätigkeit kann bei entsprechender Nebenwirkung nicht ausgeübt werden.
Hinweis:
Die Medizin als Wissenschaft und somit auch die Epileptologie sind durch dauernden Zugewinn an Forschungsergebnissen einem ständigen Wandel unterworfen. Die genannten Daten gelten daher nur zum Zeitpunkt der Herausgabe dieser Patienteninformation. In unregelmäßigen Abständen oder dann, wenn sich Wesentliches ändert, wird diese Patienteninformation überarbeitet und als neue Version zur Verfügung gestellt. Bitte haben Sie Verständnis, dass wir daher nur die jeweils aktuelle Version empfehlen können. Jegliche Haftung für die hier veröffentlichten Informationen wird abgelehnt.
Die hier dargelegten Informationen wurden nach bestem Wissen recherchiert. Trotzdem kann es zu Fehlern kommen, die sich z.B. aus Schreib- oder Übertragungsfehlern ergeben. Daher wird jeder Benutzer aufgefordert, sich im Zweifel andere Literatur zusätzlich zu besorgen und Angaben zu überprüfen.
Fachinformationen für Ärzte finden sich unter anderem unter
Zusätzliche Informationen bietet die Packungsbeilage des Medikaments. Zudem können Sie Ihren behandelnden Arzt oder den Apotheker fragen.
Herausgeber: Prof. Dr. A. Hufnagel