Das Wichtigste über Lamotrigin

Zusammenfassung:

Lamotrigin ist Medikament der neueren Generation gegen Epilepsie, und ein Mittel der ersten Wahl bei allen Epilepsien.

Es führt bei Neueinstellungen in 40-60% zu dauerhafter Anfallsfreiheit.

Lamotrigin ist allgemein gut verträglich. Eine bekannte Nebenwirkung ist ein Hautausschlag,der besonders bei schneller Aufdosierung auftritt; daher ist es bei Lamotrigin nötig, langsam die angestrebte Dosis zu erreichen.

Lamotrigin ist folglich kein Notfallmedikament

Lamotrigin gilt als eines der Medikamente gegen Epilepsie, das nicht müde macht.

Lamotrigin kann mit allen anderen Anti-Epilepsie-Medikamenten kombiniert werden, wenn dies notwendig ist.

Lamotrigin kann durch andere Medikamente in der Wirksamkeit beeinflusst werden. Wird gleichzeitig mit Carbamazepin, Phenytoin und Phenobarbital behandelt muss mehr (etwa doppelt so viel) Lamotrigin verordnet werden. Bei gleichzeitiger Behandlung mit Valproinsäure muss weniger Lamotrigin verordnet werden (etwa halb so viel) und langsamer eindosiert werden.

Lamotrigin ist ein Medikament, das nur zweimal pro Tag gegeben werden muss; z.T. reicht sogar eine Einnahme pro Tag.

Ein Nachteil von Lamotrigin ist, dass es nur sehr langsam eindosiert werden darf (ca. 8 -12 Wochen bis zum Erreichen der Erhaltungsdosis). Dies gilt besonders für das Kindesalter.

Bis vor Kurzem galt die Meinung, dass die Wirkung der Antibabypille durch Lamotrigin nicht abgeschwächt wird, so dass keine andere Verhütungsmethode zusätzlich oder stattdessen nötig ist. Inzwischen haben weitere Forschungsergebnisse gezeigt, dass die Spiegel der in manchen Verhütungspräparaten verwendeten Hormone durch Lamotrigin verringert werden können. Ob dies einen Einfluss auf die Wirksamkeit der "Pille" hat, ist indes nicht vollständig geklärt. Daher kann zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht sicher gesagt werden, dass die Wirkung der "Pille" nicht beeinflusst wird; ggf. sind daher zusätzliche Verhütungsmaßnahmen zu erwägen.

In der Schwangerschaft ist für Lamotrigin eine erhöhte Fehlbildungsrate bisher nicht nachgewiesen. Es sind bisher nicht genügend Daten vorhanden um einen Zusammenhang nachweisen oder ausschliessen zu können. Vorsicht ist jedoch bei einer Kombination mit Valproinsäure geboten.

Unter welchem Namen ist Lamotrigin im Handel erhältlich?

Lamotrigin ist als Lamictal® und Lamotriax®  in Deutschland, der Schweiz und Österreich erhältlich.

Wie wirkt Lamotrigin?

Lamotrigin ist ein Medikament, das die Erregungsleitung von Nervenzellen hemmt.

Die Erregung der Nervenzellen erfolgt an der Zellmembran. Dort sind Kanäle, durch die Blutsalze hindurchtreten. Beispiele sind Natrium, Kalium, Kalzium und Chlorid. Durch die Blockade bestimmter Kanäle wird die für Epilepsie typische krankhafte Erregungsleitung gehemmt.

Zudem vermindert Lamotrigen die Übertragung von Erregungen von einer Nervenzelle auf die andere, indem es die Überträgersubstanz Glutamat hemmt.

Welche Anfälle/Epilepsieformen lassen sich mit Lamotrigin behandeln?

Lamotrigin ist ein Medikament, das in der Behandlung sowohl herdförmiger als auch generalisierter Epilepsien gute Erfolge zeigt. Es

kann als einziges Medikament gegeben werden (Monotherapie) oder in Kombination mit anderen Medikamenten. Insgesamt ist Lamotrigin ein Medikament mit breiter Wirksamkeit gegen Epilepsie, so dass es bei nahezu allen Patienten eingesetzt werden kann.

Für wen ist Lamotrigin zugelassen?

Lamotrigin ist als einziges Medikament (Monotherapie) für Patienten ab 12 Jahren mit generalisierten Anfallsformen, fokalen und sekundär generalisierten Anfällen sowie bei gemischten Epilepsien oder als Zusatzmedikament zugelassen. Für Kinder von 2-11 Jahren kann es als Zusatzmedikament gegeben werden. Lamotrigin kann mit vielen anderen Medikamenten gegen Epilepsie gut kombiniert werden.

Wer darf nicht mit Lamotrigin behandelt werden?

Lamotrigin darf nur bei einer Überempfindlichkeit (Allergie) gegen Lamotrigin oder einen der Hilfsstoffe in der Tablette nicht gegeben werden. Zudem sollte es bei Kindern unter 2 Jahren nicht gegeben werden.

Wie gut wirkt Lamotrigin?

Lamotrigin ist seit mehr als 10 Jahren für die Epilepsiebehandlung verfügbar. Man kann sagen, dass Lamotrigin in der Behandlung generalisierter Epilepsieformen in der Monotherapie ähnliche Erfolge hat wie Valproinsäure; die Ergebnisse bei herdförmigen Epilepsien sind ähnlich wie die mit Carbamazepin. In der Kombinationstherapie ist es vergleichbar mit anderen Medikamenten. In ausreichender Dosierung werden je nach Anfallsart 40- 60% der Patienten in einer ersten Monotherapie, das heißt bei Behandlung mit Lamotrigin als einzigem Medikament, anfallsfrei. Die Wirksamkeit ist bei idiopathisch-generalisierten Epilepsien (Aufwach-Grand-mal, Absencen, jugendlicher myoklonischer Epilepsie) und bei Herdepilepsien (fokalen Epilepsien) gut.

Lamotrigin gibt es nur als Tabletten, so dass eine rasche Aufdosierung als Infusion in der Notfallsituation, z.B. im Status epilepticus oder bei einer Anfallsserie nicht möglich ist.

Was sind die wichtigsten Nebenwirkungen von Lamotrigin?

Lamotrigin ist allgemein sehr gut verträglich.

Eine wichtige Nebenwirkung ist die Ausbildung von allergischen Hautreaktionen. In der Regel sind diese harmlos und vergehen rasch nach dem Absetzen des Medikaments. Allerdings gibt es auch Berichte über schwerere Hautreaktionen bis hin zur Hautablösung mit tödlichen Verläufen. Dieses Risiko ist inzwischen deutlich geringer geworden, seit man erkannt hat, dass dies insbesondere bei einer zu raschen Aufdosierung passiert.

Trotzdem geht der Hersteller von einer Wahrscheinlichkeit von 0,3-1% von im Krankenhaus zu behandelnden Hautreaktionen aus. Das Risiko scheint bei Kindern etwas höher zu sein als bei Erwachsenen.

Seltene Nebenwirkungen sind Schwindel, Doppelbilder, Verhaltensstörungen (insbesondere Aggressivität) und Schlafstörungen.

Wichtig ist, dass Lamotrigin im Gegensatz zu vielen anderen Anti-Epilepsie-Medikamenten nicht müde macht und die Konzentrationsfähigkeit erhalten bleibt, so dass Lamotrigin ein Medikament ist, dass z.B. bei Schülern oder Studenten gerne gegeben wird.

Wie wird Lamotrigin aufdosiert?

Lamotrigin muss sehr langsam aufdosiert werden, damit keine allergischen Reaktionen auftreten.

Üblicherweise beginnt man in der Monotherapie, bei der Lamotrigin die einzige Substanz ist, beim normalgewichtigen Erwachsenen, mit 25 mg/Tag in den ersten 2 Wochen. Danach steigert man auf 50 mg/Tag für weitere 2 Wochen, und kann danach alle 2 Wochen um 25-50 mg erhöhen.

Bei Kombinationstherapie mit einem enzyminduzierenden Medikament (Carbamazepin, Phenytoin, Phenobarbital) kann man doppelte Dosen geben; ab 200 mg/Tag kann in 100 mg-Schritten erhöht werden.

Wenn gleichzeitig Valproinsäure gegeben wird, muss langsamer vorgegangen werden. Hier gibt man 12,5 mg/Tag in den ersten 2 Wochen, danach für 2 Wochen 25 mg/Tag. Anschließend kann alle 2 Wochen um 25 mg erhöht werden bis 100 mg erreicht sind; danach kann alle 2 Wochen um 25-50 mg/Tag erhöht werden.

Bei Kindern gelten folgende Empfehlungen:

In Monotherapie gibt man 0,5 mg/Kilogramm Körpergewicht (kgKG) pro Tag. Alle 2 Wochen kann um 1 mg/kgKG pro Tag erhöht werden. Bei einer Begleitmedikation mit Carbamazepin, Phenytoin oder Phenobarbital gibt man zunächst 2 mg/kgKG pro Tag und steigert alle 2 Wochen um 2-3 mg/kgKG pro Tag. Bei einer Begleitmedikation mit Valproinsäure beginnt man mit 0,2 mg/kgKG pro Tag in den ersten 2 Wochen, danach für 2 Wochen 0,5 mg/kgKG und erhöht danach alle 2 Wochen um 0,5-1 mg/kgKG.

Welche Tagesdosen sind sinnvoll?

Wie bei den meisten Antikonvulsiva, wird auch bei Lamotrigin zunächst auf mittlere Dosisbereiche aufdosiert.

Angestrebt werden folgende Dosisbereiche:

Bei Erwachsene in der Monotherapie 100-300 mg/Tag, bei Therapie mit einem Enzyminduktor 200-700 mg/Tag, mit Valproinsäure 100-300 mg/Tag. Kinder erhalten in Monotherapie 0,5-5 mg/kgKG pro Tag, mit einem Enzyminduktor 5-10 mg/kgKG, maximal 400 mg pro Tag, mit Valproinsäure 1-5 mg/kgKG pro Tag, maximal 200 mg/Tag.

Im Einzelfall muss diese generelle Richtlinie nach Wirkung und Nebenwirkung abgewandelt werden. Prinzipiell werden alle Antikonvulsiva bis zur Anfallsfreiheit aufdosiert oder bis zu einer Dosis, bei der Nebenwirkungen auftreten. Wenn letzteres passiert, wird die Dosis auf das zuletzt vertragene Niveau verringert. Wenn dann noch weitere Anfälle auftreten, ist eine vollständige Wirksamkeit des Medikaments nicht gegeben, so dass ein anderes Anti-Epilepsie-Mittel stattdessen oder zusätzlich gegeben werden kann oder muss.

Gibt es Wechselwirkungen oder Unverträglichkeiten mit anderen Medikamenten (hauptsächlich anderen Anti-Epilepsie-Medikamenten)?

Lamotrigin selber wird duch anderen Medikamente beeinflusst. Medikamente, die in der Leber den Abbau von anderen Substanzen beschleunigen, z.B. die Anti-Epilepsie-Medikamente Carbamazepin, Phenytoin oder Phenobarbital, verringern die Verweildauer von Lamotrigin im Körper, so dass die Dosis vom Lamotrigin erhöht werden muss (etwa verdoppelt). Demgegenüber verringert Valproinsäure den Abbau von Lamotrigin, so dass die Dosis erniedrigt wird (etwa halbiert) und eine langsamere Aufdosierung notwendig wird.

Ist es sinnvoll, die Blutspiegel zu kontrollieren?

Das kann tatsächlich manchmal sinnvoll sein. In der Aufdosierungsphase kann überprüft werden, welche Blutspiegel mit einer bestimmten Dosis erreicht werden. Treten Nebenwirkungen ein, kann man abschätzen, bis zu welcher Dosis bzw. bis zu welchem Spiegel das Medikament ohne Probleme vertragen wurde. Dies ist auch dann wichtig, wenn es darum geht, ein Medikament als bei einem Patienten unwirksam zu betrachten und ggf. auf ein anderes umzustellen. Weiterhin machen Spiegelkontrollen dann Sinn, wenn der Arzt überprüfen will, ob der Patient das Medikament auch regelmäßig nimmt, denn es gibt einige Patienten, die hier unachtsam sind und bei denen ein Medikament durchaus wirksam wäre, wenn es regelmäßig genommen würde. Hier darf dann nicht das Medikament angeschuldigt werden, nicht wirksam zu sein.

Auch zur Überprüfung der Wechselwirkung mit anderen Medikamenten ist eine Spiegelbestimmung sinnvoll.

Allerdings sind für Lamotrigin keine so klar definierten Grenzen gegeben wir z.B. für Valproinsäure oder Carbamazepin, so dass die Spiegel eher im persönlichen Verlauf interessant sind als zur allgemeingültigen Einordnung der Spiegel, die sehr variabel sein können.

Gibt es in der Schwangerschaft etwas zu beachten?

Schwangerschaften bei Epilepsie-Patientinnen sind generell Risikoschwangerschaften, da das Kind durch gewisse Medikamente gefährdet sein kann.

Lamotrigin ist ein Medikament, das in der Schwangerschaft derzeit als wenig problematisch gilt. Es muss allerdings gesagt werden, dass die Datenlage noch nicht abschließend beurteilt werden kann, da noch nicht genügend Schwangerschaftsverläufe untersucht sind, um endgültige Aussagen treffen zu können. Die bisherigen Daten aus Tierversuchen und einem Schwangerschaftsregister über Lamotrigin legen jedoch nahe, dass es zumindest zu keiner Häufung von Fehlbildungen kommt. Die Fehlbildungsrate liegt mit 3-4% in der Monotherapie tendenziell allerdings etwas über derjenigen der Normalbevölkerung mit 1-2%.

Insofern kann zwar derzeit noch keine generelle Empfehlung gegeben werden, Lamotrigin in der Schwangerschaft anderen Medikamenten vorzuziehen, aber es gibt auch keinen Grund, auf ein anderes Anti-Epilepsie-Medikament umzustellen.

Unklar ist, ob die Einnahme von Folsäure (2,5-5 mg/Tag) einen zusätzlichen Schutz gegen Missbildungen bietet und daher bei Kinderwunsch und während der Schwangerschaft eingenommen werden soll. Da theoretisch der Folsäurespiegel im Körper sinken kann, ist eine Einnahme möglicherweise sinnvoll und wird aktuell empfohlen.

Vermieden werden sollte - wenn dies möglich ist - die Einnahme von mehreren Medikamenten gegen Epilepsie gleichzeitig, da sie zu einer deutlichen Steigerung des Risikos führt.

Muss man sonst noch etwas beachten?

Lamotrigin kann selten das Reaktionsvermögen herabsetzen. Daher muss beim Führen eines Fahrzeuges (soweit dies erlaubt ist!) oder der Bedienung von Maschinen bedacht werden, dass es zu Gefahrensituationen kommen kann und entsprechend vorsichtig gehandelt werden bzw. die Tätigkeit kann bei entsprechender Nebenwirkung nicht ausgeübt werden.

Hinweis:

Die Medizin als Wissenschaft und somit auch die Epileptologie sind durch dauernden Zugewinn an Forschungsergebnissen einem ständigen Wandel unterworfen. Die genannten Daten gelten daher nur zum Zeitpunkt der Herausgabe dieser Patienteninformation. In unregelmäßigen Abständen oder dann, wenn sich Wesentliches ändert, wird diese Patienteninformation überarbeitet und als neue Version zur Verfügung gestellt. Bitte haben Sie Verständnis, dass wir daher nur die jeweils aktuelle Version empfehlen können. Jegliche Haftung für die hier veröffentlichten Informationen wird abgelehnt.

Die hier dargelegten Informationen wurden nach bestem Wissen recherchiert. Trotzdem kann es zu Fehlern kommen, die sich z.B. aus Schreib- oder Übertragungsfehlern ergeben. Daher wird jeder Benutzer aufgefordert, sich im Zweifel andere Literatur zusätzlich zu besorgen und Angaben zu überprüfen.

Fachinformationen für Ärzte finden sich unter anderem unter

Antikonvulsiva Lamotrigin

Zusätzliche Informationen bietet die Packungsbeilage des Medikaments. Zudem können Sie Ihren behandelnden Arzt oder den Apotheker fragen.

Herausgeber: Prof. Dr. A. Hufnagel