Das Wichtigste über Phenobarbital und Primidon
Zusammenfassung:
Phenobarbital und Primidon werden zusammen bespro-chen, weil Primidon im Körper in Phenobarbital umge-wandelt wird und offenbar keine eigene Wirksamkeit hat; somit gilt das Gesagte auch immer für Primidon, auch wenn nur Phenobarbital erwähnt wird.
Phenobarbital ist eines der ältesten und weltweit am häufigsten (da sehr billig) verwendeten Medikamente gegen Epilepsie und ein Mittel bei der Behandlung von allen Epilepsien, sowohl unmittelbar (primär) generalisierten Anfällen (Grand mal, Absencen, Myoklonusepilepsien) als auch bei solchen fokalen Ursprungs, das heißt Herdepilepsien.
Phenobarbital kann in einer Notfallsituation, das heißt im Status epilepticus, als Rservemedikament gegeben werden, wenn Benzodia-zepine und Phenytoin erfolglos waren.
Phenobarbital kann ausgeprägte Nebenwirkungen verursachen, vor allem Müdigkeit, Konzentrations- und Denkstörungen, nach längerer Anwendung auch Wesensveränderungen.
Phenobarbital kann die Wirksamkeit anderer Medikamente abschwächen. Insbesondere muss bedacht werden, dass die Wirkung der Antibabypille durch Phenobarbital abgeschwächt oder aufgehoben werden kann, so dass andere Verhütungsmethoden zusätzlich oder stattdessen Anwendung finden müssen. Auch die Wirkung anderer Medika-mente kann abgeschwächt sein, diese sind im Text unten aufgelistet.
In der Schwangerschaft kann Phenobarbital zu einer erhöhten Rate an Fehlbildungen führen, so dass vor einer Schwanger-schaft eine Beratung stattfinden sollte, bei der über eine mögliche medikamentöse Umstellung oder Dosis-änderung gesprochen wird.
Aufgrund der vielen Nebenwirkungen ist Phenobarbital heutzutage meist durch modernere Medikamente ersetzt worden. In Entwicklungsländern wird es weiterhin häufig wegen der neidrigen Therapiekosten angewendet.
Unter welchem Namen ist Phenobarbital im Handel erhältlich?
Phenobarbital ist als Luminal® bzw. Luminaletten®, Lepinal® bzw. Lepinaletten®, Primidon als Liskantin®, Mylepsinum® und Resimatil® in Deutschland erhältlich.
Wie wirkt Phenobarbital?
Phenobarbital ist ein Medikament, das Nervenzellen an der Ausbildung und Ausbreitung von Erregungen hindert. Verschiedene Salze bzw. ihre Ionen sind an der Erregungsausbreitung bzw. -hemmung im Gehirn beteiligt. Hierbei wirken Natrium und Kalium sowie auch Kalzium bei der Erregungsausbreitung mit, während Chlorid in den Nervenzellen hemmend wirkt. Hierbei ist ein Überträgerstoff, die Gamma-Amino-Buttersäure (GABA,) beteiligt. Dieser Stoff wird in einen Spalt zwischen den Nervenzellen ausgeschüttet und führt an der banachbarten Zelle dazu, dass mehr Chlorid in die Zelle einströmt und sie damit weniger erregbar wird.
Welche Anfälle/Epilepsieformen lassen sich mit Phenobarbital behandeln?
Phenobarbital ist ein Medikament, das in der Behandlung aller Anfallsformen, also bei generalisierten (Grand mal) Epilepsien, und bei herdförmigen Epilepsien eingesetzt wird. Einfach-fokale, komplex-fokale und sekundär generalisierte Anfälle (Grand mal) sind gleichermaßen durch Phenobarbital wirksam behandelbar.
Für wen ist Phenobarbital zugelassen?
Phenobarbital ist für Patienten mit generalisierten (Grand mal), fokalen und sekundär generalisierten Anfällen zugelassen. Eine Altersbegrenzung gibt es nicht. Phenobarbital wirkt auch als Infusionslösung in der Notfallsituation, z.B. im Status epilepticus.
Wer darf nicht mit Phenobarbital behandelt werden?
Phenobarbital darf nicht angewendet werden, wenn eine Überempfindlichkeit gegen Phenobarbital oder einen der Hilfsstoffe bekannt ist.
Bei Alkohol-, Schlaf- oder Schmerzmittelvergiftung, Vergiftung durch andere die Psyche beeinflussende Medikamente darf Phenobarbital nicht gegeben werden. Bei hepatischer Porphyrie (einer seltenen Lebererkrankung), schweren Leber-, Nieren- oder Herzfunktionsstörungen sollte Phenobarbital ebenfalls nicht eingesetzt werden.
Wie gut wirkt Phenobarbital?
Phenobarbital ist nach wie vor eines der weltweit am häufigsten eingesetzten Medikamente in der Behandlung aller Epilepsien.
Phenobarbital ist gegen alle Anfallsformen gut wirksam, und es liegen langjährige Erfahrungen mit diesem Wirkstoff vor.
Eine Besonderheit ist die epileptische Notfallsituation, das heißt z.B. ein Status epilepticus oder eine Anfallsserie. Da Phenobarbital als Infusion gegeben werden kann, ist es im fokalen (herdförmigen) Status epilepticus ohne oder mit Generalisierung (Grand mal) einsetzbar und hier noch immer eins der wirksamsten Medikamente.
In der Reihenfolge der Behandlung des Status epilepticus kommt es allerdings erst nach Benzodiazepinen, Phenytoin oder Valproinsäure.
Was sind die wichtigsten Nebenwirkungen von Phenobarbital?
Phenobarbital ist ein Medikament, das relativ ausgeprägte Nebenwirkungen verursachen kann. Diese sind zumeist dosisabhängig. Niedrige Dosierungen werden in aller Regel gut vertragen.
Insbesondere eine starke Dämpfung mit ausgeprägter Müdigkeit, Benommenheit, verringerter Konzentrations- und Reaktionsfähigkeit, Schwindel, und Störungen der Bewegungskoordination sind typisch. Zudem kam es in der Vergangenheit zu Übelkeit, Erbrechen, Bauchschmerzen, allergischen Reaktionen, Lichtempfindlichkeit der Haut, Leber-, Nieren- und Knochenmarksschäden. Bei Langzeitanwendung kommt es gelegentlich zu Störungen der Blutbildung.
Wie wird Phenobarbital bei der Erstbehandlung aufdosiert?
Phenobarbital kann schnell aufdosiert werden. Direkt zu Beginn kann mit 300 mg pro Tag begonnen werden, dies ist auch eine übliche Dosis in der Dauertherapie. Kinder bis zum 12. Lebensjahr erhalten 2 mg pro Kilogramm pro Tag. Diese Dosis kann alle 3 Tage um 1 mg pro Kilogramm erhöht werden, bis eine gute Einstellung anhand der Spiegel besteht.
Welche Tagesdosen sind sinnvoll?
Eine Erhaltungsdosis von 100-250 mg pro Tag ist bei Erwachsenen üblich. Bei Kindern gibt man 5-7 mg/kg pro Tag.
Gibt es Wechselwirkungen oder Unverträglichkeiten mit anderen Medikamenten (hauptsächlich anderen Medikamenten gegen Epilepsie)?
Phenobarbital ist ein hepatischer Enzyminduktor. Dies bedeutet, dass durch Phenobarbital der Abbau verschiedener anderer Medikamente in der Leber beschleunigt wird. Dort werden Körpereiweiße, die am Abbau verschiedender Substanzen (unter anderem Medikamente) beteiligt sind, angeregt und dadurch die Verweildauer der Substanzen im Körper gesenkt.
Phenobarbital hat eine Reihe von Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten, so dass hier nur die wichtigsten genannt werden können. Die Wirkung von Phenobarbital wird durch Folsäure verringert.
Die Konzentration von Phenobarbital im Körper wird durch Marcumar, Benzodiazepine, Magenmedikamente wie Ranitidin, Valproinsäure und Sultiam sowie trizyklische Antidepressiva, Medikamente gegen Depressionen, Sulfonamide sowie einige andere Medikamente erhöht.
Phenobarbital selber wird im Körper durch Säurehemmende Medikamente für den Magen, Ciprofolxacin, ein Antibiotikum, Carbamazepin, und Alkohol verringert.
Durch Phenobarbital wird die Kozentration von Rifampicin (einem Tuberkulosemittel) im Körper gesteigert. Die Konzentrationen von Marcumar, Verapamil, Doxycyclin, Theophyllin, Kortisonpräparaten, Antidepressiva, Lamotrigin, Carbamazepin, Digoxin und Valproinsäure wird verringert.
Besonderes wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass Phenobarbital die Wirkung der Antibabypille aufheben kann und eine sichere Verhütung nicht mehr gewährleistet ist, so dass nur noch gewisse Antibabypillen wirksam sind und andere Verhütungsmethoden stattdessen oder zusätzlich ergriffen werden müssen.
Ist es sinnvoll, die Blutspiegel zu kontrollieren?
Das kann tatsächlich manchmal sinnvoll sein. In der Aufdosierungsphase kann überprüft werden, welche Blutspiegel mit einer bestimmten Dosis erreicht werden. Treten Nebenwirkungen ein, kann man abschätzen, bis zu welcher Dosis bzw. bis zu welchem Spiegel das Medikament ohne Probleme vertragen wurde. Dies ist auch dann wichtig, wenn es darum geht, ein Medikament als unwirksam zu betrachten und ggf. auf ein anderes umzustellen. Weiterhin machen Spiegelkontrollen dann Sinn, wenn der Arzt überprüfen will, ob der Patient das Medikament auch regelmäßig nimmt, denn es gibt einige Patienten, die hier unachtsam sind und bei denen ein Medikament durchaus wirksam wäre, wenn es regelmäßig genommen würde. Hier darf dann nicht das Medikament angeschuldigt werden, nicht wirksam zu sein.
Auch zur Überprüfung der Wechselwirkung mit anderen Medikamenten ist eine Spiegel-bestimmung sinnvoll.
Die üblichen Spiegel, die mit Phenobarbital erreicht werden, liegen zwischen 15 und 40 mg/l.Die Primidon-Spiegel liegen zwischen 5 und 12 mg/l.
Gibt es in der Schwangerschaft etwas zu beachten?
Schwangerschaften bei Epilepsie-Patientinnen sind generell Risikoschwangerschaften, da das Kind durch Anfälle und auch durch gewisse Medikamente gefährdet sein kann.
Phenobarbital ist ein Medikament, das in der Schwangerschaft nicht unproblematisch ist.
Aufgrund der vorliegenden Daten kann davon ausgegangen werden, dass insbesondere zwischen dem 20. und 40. Schwangerschaftstag Phenobarbital eine erhöhte Rate an Fehlbildungen verursachen kann.
Typische Fehlbildungen sind eine verringerte Ausbildung der Finger- und Zehennägel. Auch andere Fehlbildungen traten auf. Daher sollte insbesondere in dieser Zeit die niedrigste Dosis, die Anfälle verhindert, gewählt werden. Da bei der Behandlung mit Phenobarbital eine erhöhte Blutungsneigung bei Neugeborenen bekannt ist, sollte die Mutter kurz vor Ende der Schwangerschaft und das Kind nach der Geburt Vitamin K bekommen, das Blutungen verhindern kann.
Umstritten ist, ob eine zusätzliche Einnahme von Folsäure (2,5-5 mg/Tag) einen Nutzen hat. Da dies aber möglich ist, und theoretisch Fehlbildungen des Kindes verhindert werden können, empfehlen wir unseren Patienten diese Einnahme.
Vermieden werden sollte in jedem Fall - wenn dies möglich ist - die Einnahme von mehreren Medikamenten gegen Epilepsie gleichzeitig.
Muss man sonst noch etwas beachten?
Phenobarbital kann das Reaktionsvermögen herabsetzen. Daher muss beim Führen eines Fahrzeuges (soweit dies im Hinblick auf die Anfälle überhaupt erlaubt ist!) oder der Bedienung von Maschinen bedacht werden, dass es zu Gefahrensituationen kommen kann und entsprechend vorsichtig gehandelt werden bzw. die Tätigkeit kann bei entsprechender Nebenwirkung nicht ausgeübt werden.
Hinweis:
Die Medizin als Wissenschaft und somit auch die Epileptologie sind durch dauernden Zugewinn an Forschungsergebnissen einem ständigen Wandel unterworfen. Die genannten Daten gelten daher nur zum Zeitpunkt der Herausgabe dieser Patienteninformation. In unregelmäßigen Abständen oder dann, wenn sich Wesentliches ändert, wird diese Patienteninformation überarbeitet und als neue Version zur Verfügung gestellt. Bitte haben Sie Verständnis, dass wir daher nur die jeweils aktuelle Version empfehlen können. Jegliche Haftung für die hier veröffentlichten Informationen wird abgelehnt.
Die hier dargelegten Informationen wurden nach bestem Wissen recherchiert. Trotzdem kann es zu Fehlern kommen, die sich z.B. aus Schreib- oder Übertragungsfehlern ergeben. Daher wird jeder Benutzer aufgefordert, sich im Zweifel andere Literatur zusätzlich zu besorgen und Angaben zu überprüfen.
Fachinformationen für Ärzte finden sich unter anderem unter:
Zusätzliche Informationen bietet Patienten die Packungsbeilage des Medikaments. Zudem können Sie Ihren behandelnden Arzt oder den Apotheker fragen.
Herausgeber: Prof. Dr. A. Hufnagel