Das Wichtigste über Vigabatrin
Zusammenfassung:
Vigabatrin ist ein seit mehr als 10 Jahren erhältliches Mittel gegen Epilepsie und ein Mittel, das bei Herdepilepsien in Kombination mit anderen Medikamenten gegeben werden kann sowie als einziges Medikament in Monotherapie bei Kindern mit West-Syndrom.
Vigabatrin ist nur noch als Reservemedikament in sonst ausweglosen Fällen zu betrachten, da es erhebliche Nebenwirkungen verursachen kann. Etwa 1/3 der Patienten entwickelt Gesichtsfeldausfälle, die sich nicht wieder zurückbilden.
Vigabatrin kann mit allen anderen Anti-Epilepsie-Medikamenten kombiniert werdent.
Vigabatrin wird zweimal täglich eingenommen.
Vigabatrin wird durch andere Medikamente in der Wirksamkeit nahezu nicht beeinflusst, lediglich für Phenytoin wurde eine leichte Abnahme der Blutspiegel beobachtet, die aber klinisch nicht bedeutsam ist.
Die Wirkung der Antibabypille wird durch Vigabatrin nicht abgeschwächt, so dass eine andere Verhütungsmethode zusätzlich oder stattdessen nicht notwendig erscheint.
Zur Frage der Gabe in der Schwangerschaft liegen derzeit noch nicht genügend Daten vor, um eine endgültige Aussage treffen zu können. Es liegen jedoch Befunde vor, die eine erhöhte Fehlbildungsrate nahelegen. Daher gilt Vigabatrin in der Schwangerschaft als problematisch.
Unter welchem Namen ist Vigabatrin im Handel erhältlich?
Vigabatrin ist als Sabril® in Deutschland erhältlich.
Wie wirkt Vigabatrin?
Vigabatrin ist ein Medikament, das die Erregungsleitung von Nervenzellen hemmt.
Es gibt zwischen Nervenzellen verschiedene chemische Substanzen, die die Erregung von einer Zelle auf die andere übertragen. Hierbei gibt es Substanzen, die eine Erregung der nachfolgenden Zelle verstärken (z.B. Glutamat) und solche, die in nachfolgenden Zellen die Erregung hemmen (z.B. GABA). Vigabatrin verhindert den Abbau von GABA durch die Nervenzellen, so dass mehr von dieser hemmenden Substanz zwischen den Nervenzellen vorliegt. Dadurch wird die Ausbreitung von Erregungen zwischen Nervenzellen gemindert.
Welche Anfälle/Epilepsieformen lassen sich mit Vigabatrin behandeln?
Vigabatrin ist ein Medikament, das in der Behandlung herdförmiger Epilepsien eingesetzt wird. Es kann nur in Kombination mit anderen Medikamenten gegeben werden. Als Ausnahme hiervon ist das West-Syndrom zu nennen, bei dem Vigabatrin auch als einziges Medikament (Monotherapie) gegeben werden kann.
Für wen ist Vigabatrin zugelassen?
Vigabatrin ist für Patienten mit fokalen und sekundär generalisierten Anfällen als Zusatzmedikament zugelassen. Vigabatrin kann mit anderen Medikamenten gegen Epilepsie kombiniert werden. Es ist zudem als einzelnes Medikament in der Behandlung des West-Syndroms zugelassen.
Wer darf nicht mit Vigabatrin behandelt werden?
Vigabatrin darf bei einer Überempfindlichkeit (Allergie) gegen Vigabatrin oder einen der Hilfsstoffe in der Tablette nicht gegeben werden. Alle Patienten sollten vor der Behandlung mit Vigabatrin eine augenärztliche Untersuchung erhalten.
Es ist wichtig zu wissen, dass Vigabatrin aufgrund der ausgeprägten und schwerwiegenden Nebenwirkungen bei ca. 30% der Patienten nur noch als Mittel der letzten Wahl betrachtet wird und nur noch nach Ausschöpfung aller anderen Therapiemöglichkeiten gegeben werden sollte.
Wie gut wirkt Vigabatrin?
Vigabatrin ist ein neues Medikament in der Epilepsie-Behandlung, daher ist die Erfahrung noch nicht so groß wie mit z.B. Valproinsäure oder Carbamazepin. Vigabatrin scheint in der Zusatzbehandlung etwa die Wirkstärke zu haben wie Carbamazepin, das ebenfalls bei Herdepilepsien gegeben werden kann.
Vigabatrin gibt es nur als Tabletten bzw. Granulat, so dass eine rasche Aufdosierung als Infusion z.B. in der Notfallsituation im Status epilepticus oder bei einer Anfallsserie nicht möglich ist.
Was sind die wichtigsten Nebenwirkungen von Vigabatrin?
Vigabatrin ist ein Medikament, das durch seine Nebenwirkungen sehr problematisch ist. Bei etwa 1/3 (je nach Untersuchung etwa 30-40%) der Patienten kommt es zu Einschränkungen des Gesichtsfeldes. Außenbereiche des Sehfeldes erblinden hierbei, so dass zu den Seiten hin das Sehvermögen abnimmt.
Diese Nebenwirkung hat dazu geführt, dass Vigabatrin trotz sehr guter Wirksamkeit und ansonsten nahezu idealen Voraussetzungen in der Epilepsie-Behandlung im Hinblick auf die Verträglichkeit mit anderen Medikamenten inzwischen nur noch bei ausweglosen Fällen eingesetzt wird.
Ian weiteren Nebenwirkungen wurden beschrieben: Müdigkeit, Verwirrung, Depression und anderen psychiatrischen Störungen. Zudem klagten Patienten über Zittrigkeit und Gleichgewichtsstörungen. Auch eine Gewichtszunahme wurde beobachtet.
Wie wird Vigabatrin aufdosiert?
Üblicherweise beginnt man bei Erwachsenen mit 1 g pro Tag und steigert wöchentlich um 0,5 g bis auf maximal 3 g pro Tag.
Kinder erhalten zunächst 40 mg/kg Körpergewicht täglich. Die endgültige Dosis richtet sich nach dem Körpergewicht.
Hierbei gelten folgende Richtlinien:
- 10-15 kg 0,5-1 g/Tag
- 15-30 kg 1-1,5 g/Tag
- 30-50 kg 1,5-3 g/Tag
- > 50 kg 2-3 g/Tag.
Welche Tagesdosen sind sinnvoll?
Wie bei den meisten Anti-Epilepsie-Medikamenten, wird auch bei Vigabatrin zunächst auf mittlere Dosisbereiche aufdosiert.
Angestrebt werden Dosisbereiche um 2 g pro Tag Erwachsenen, bei Kindern s.o. Eine Maximaldosis von über 3g/Tag sollte nicht überschritten werden.
Im Einzelfall muss diese generelle Richtlinie nach Wirkung und Nebenwirkung abgewandelt werden. Prinzipiell werden alle Antikonvulsiva bis zur Anfallsfreiheit aufdosiert oder bis zu einer Dosis, bei der Nebenwirkungen auftreten. Wenn letzteres passiert, wird die Dosis auf das zuletzt vertragene Niveau verringert. Wenn dann noch weitere Anfälle auftreten, ist eine vollständige Wirksamkeit des Medikaments nicht gegeben, so dass ein anderes Anti-Epilepsie-Mittel stattdessen oder zusätzlich gegeben werden kann oder muss.
Gibt es Wechselwirkungen oder Unverträglichkeiten mit anderen Medikamenten (hauptsächlich anderen Anti-Epilepsie-Medikamenten)?
Vigabatrin verhält sich weitgehend neutral in Kombination mit anderen Medikamenten. Ein Einfluss auf andere Anti-Epilepsie-Medikamente ist nur bei Phenytoin bekannt. Dieses wird im Spiegel um ca. ¼ reduziert, was aber i.d.R. keine klinische Bedeutung hat.
Ist es sinnvoll, die Blutspiegel zu kontrollieren?
Spiegelkontrollen von Vigabatrin sind nicht notwendig.
Gibt es in der Schwangerschaft etwas zu beachten?
Schwangerschaften bei Epilepsie-Patientinnen sind generell Risikoschwangerschaften, da das Kind durch gewisse Medikamente gefährdet sein kann.
Vigabatrin ist ein Medikament, über das man in der Schwangerschaft derzeit keine sicheren Aussagen machen kann.
Es liegen aber Berichte über eine Häufung von Fehlbildungen während der Behandlung mit Vigabatrin vor, sowohl beim Menschen als auch im Tierversuch.
Daher kann derzeit keine Empfehlung gegeben werden, Vigabatrin in der Schwangerschaft anderen Medikamenten vorzuziehen. Vor Eintreten einer Schwangerschaft sollte ein Beratungsgespräch stattfinden, um zu klären, ob der Nutzen das Risiko übersteigt und Vigabatrin weiterhin gegeben werden soll. Eine Umstellung auf ein anderes Medikament ist nur möglich, wenn rechtzeitig vor einer Schwangerschaft mit der Umstellung begonnen wird.
Umstritten ist, ob die Einnahme von Folsäure (2,5-5 mg/Tag) einen zusätzlichen Schutz bietet und daher bei Frauen, die Vigabatrin nehmen, aktuell empfohlen werden sollte. Da dies jedoch möglich ist, wird es derzeit den Patientinnen empfohlen.
Vermieden werden sollte in jedem Fall - wenn dies möglich ist - die Einnahme von mehreren Medikamenten gegen Epilepsie gleichzeitig, da sie zu einer deutlichen Steigerung des Risikos führt.
Muss man sonst noch etwas beachten?
Vigabatrin kann das Reaktionsvermögen herabsetzen. Daher muss beim Führen eines Fahrzeuges (soweit dies erlaubt ist!) oder der Bedienung von Maschinen bedacht werden, dass es zu Gefahrensituationen kommen kann und entsprechend vorsichtig gehandelt werden bzw. die Tätigkeit kann bei entsprechender Nebenwirkung nicht ausgeübt werden.
Hinweis:
Die Medizin als Wissenschaft und somit auch die Epileptologie sind durch dauernden Zugewinn an Forschungsergebnissen einem ständigen Wandel unterworfen. Die genannten Daten gelten daher nur zum Zeitpunkt der Herausgabe dieser Patienteninformation. In unregelmäßigen Abständen oder dann, wenn sich Wesentliches ändert, wird diese Patienteninformation überarbeitet und als neue Version zur Verfügung gestellt. Bitte haben Sie Verständnis, dass wir daher nur die jeweils aktuelle Version empfehlen können. Jegliche Haftung für die hier veröffentlichten Informationen wird abgelehnt.
Die hier dargelegten Informationen wurden nach bestem Wissen recherchiert. Trotzdem kann es zu Fehlern kommen, die sich z.B. aus Schreib- oder Übertragungsfehlern ergeben. Daher wird jeder Benutzer aufgefordert, sich im Zweifel andere Literatur zusätzlich zu besorgen und Angaben zu überprüfen.
Fachinformationen für Ärzte finden sich unter anderem unter:
Zusätzliche Informationen bietet die Packungsbeilage des Medikaments. Zudem können Sie Ihren behandelnden Arzt oder den Apotheker fragen.
Herausgeber: Prof. Dr. A. Hufnagel