Grundlagen der Epileptologie
- Von Epilepsie spricht man, wenn wiederholte, zumeist unprovozierte, epileptische Anfälle aufgetreten sind.
- Ein epileptischer Anfall ist durch die plötzliche, zeitlich begrenzte, rhythmische und synchrone Entladung eines neuronalen Zellverbandes, maximal des gesamten Gehirnes charakterisiert.
Die Phänomenologie des epileptischen Anfalles (Semiologie) spiegelt die Funktion der betroffenen Hirnareale wider. Sie ist äußerst variantenreich, da Größe und Lokalisation der beteiligten Hirnareale wie auch die Anfallsausbreitung im Gehirn sehr verschieden sein können.
Die Funktion eines Hirnareals kann dabei aktiviert werden (Halluzinationen, motorische Entäußerungen) oder vorübergehend gestört sein (Skotome, Dysphasien, Paresen).
Die Zahl der Anfälle variiert von einem einzigen Anfall zeitlebens bis zu mehreren 100 Anfällen/Tag.
Von der Anfallsphase können die unmittelbar folgende Phase (postiktale Phase) und die Zwischenanfallsphase (interiktale Phase) abgegrenzt werden. Die Anfallsdauer beträgt wenige Sekunden bis wenige Minuten. Während der postiktalen Phase mit einer Dauer von wenigen Minuten bis Stunden (selten mehreren Tagen) kommt es zu einer Restitution der physiologischen Funktionen. Bis zum Beginn des nächsten Anfalls schließt sich die interiktale Phase mit einer Dauer von wenigen Minuten bis mehreren Jahren an. In der interiktalen Phase sind keine anfallsbedingten neurologischen Auffälligkeiten erkennbar.
Neurologische Defizite können jedoch durch eine unterlagernde Grunderkrankung verursacht werden. Zudem können interiktale epileptiforme Ereignisse als einzelne oder in kurzen Serien auftretende epilepsietypische Potentiale (z. B. Spitze oder Spitzen-Wellen-Komplex) im EEG erkannt werden. Sie deuten an, dass zumindest bei heftiger epileptiformer Aktivität bis hin zum bioelektrischen Status auch in der interiktalen Phase mit einer Beeinträchtigung kognitiver Funktionen bzw. mit einer verzögerten mentalen Entwicklung im Kindesalter gerechnet werden muss.
Bisherige Konvention ist, dass es sich erst bei wiederholt aufgetretenen Anfällen um eine Epilepsie handelt. Die pathophysiologischen Mechanismen des ersten und weiterer Anfälle sind jedoch zumeist identisch und bei mehr als der Hälfte der Patienten kommt es nach dem ersten Anfall zu Anfallsrezidiven. Auch wenn Epilepsie-typische Potentiale im EEG vorliegen, kann man bereits nach dem ersten eindeutigen Anfall von einer Epilepsie sprechen, Treten epileptische Anfälle nur im Rahmen von akuten Gehirnerkrankungen auf, so sprechen manche Autoren von akuten epileptischen Reaktionen oder Gelegenheitsanfällen. Dies ist jedoch verwirrend, da die Übergänge zu nachfolgenden „chronischen Epilepsien“ fließend sind und die Anfallsphänomenologie zumeist gleich ist. Besser ist hier, von akuten symptomatischen Epilepsien zu sprechen. Dieser Terminus beinhaltet, dass es bei der Mehrzahl der Patienten (zumeist ca. 80–90 %) nach dem Abklingen der akuten Gehirnerkrankung auch zu einem Sistieren der Anfälle kommt. Daneben kommen epileptische Anfälle bei Gehirnaffektion z.B. durch Alkohol oder Drogen oder im Rahmen internistischer Erkrankungen, z.B. Hypoglykämie oder Nierenversagen, vor.