Pathophysiologie der Epilepsie

Prinzipiell können zwei Hauptformen der Anfalls- und Epilepsieentstehung unterschieden werden nämlich: Epilepsien fokalen Ursprungs und primär (idiopathisch) generalisierte Epilepsien.

Bei Epilepsien fokalen Ursprungs entsteht der Anfall in einer epileptogenen Schrittmacherzone zumeist assoziiert mit einer epileptogenen Läsion. Von dort breitet sich der Anfall über synaptisch verbundene benachbarte kortikale oder, fern gelegene, kortikale Strukturen aus. Es finden sich fokale EEG-Veränderungen mit epilepsietypischen Potentialen. Bei den generalisierten Anfällen und Epilepsien entstehen die epilepsietypischen Entladungen weitgehend synchron in beiden Hemisphären. Für die Entstehung werden cortico-thalamische Interaktionen verantwortlich gemacht.

Die zellulären Primärmechanismen, welche zu dieser synchronen, schnell repetitiven Depolarisation neuronaler Zellverbände führen können, sind vielfältig und nicht eindeutig geklärt (McNamara 1999, Dalby und Mody 2001).

Für eine Vielzahl von Epilepsien ist das Konzept einer Imbalance zwischen excitatorischen und inhibitorischen neuronalen Erregungen sicherlich zutreffend. Hierbei kommt es entweder zu einem Überwiegen der Aktivität excitatorischer Amminosäurentransmitter wie z. B. Glutamat oder Aspartat oder einer reduzierten Funktion inhibitorischer Transmitter, wie z. B. Gamma-Amminobuttersäure (GABA) (Baulac et al 2001, Klepper et al 2001, Wallace et al 2001). Im Gegensatz hierzu können gewisse Anfallsformen, wie z. B. Absencen, durch exzessive Inhibition ausgelöst werden. Dies erklärt, warum Substanzen, die die GABA-Konzentration im synaptischen Spalt erhöhen (z.B. Tiagabin) einerseits gegen Anfälle fokalen Ursprungs wirksam sind, jedoch andererseits zu einer Verschlechterung von Absencen führen können.

Desweiteren zeigen histopathologische Untersuchungen bei kortikalen Dysplasien bzw. Heterotopien, dass deplazierte, kleinere neuronale Zellverbände, die nicht in physiologische Funktionen eingebunden sind als initialer Schrittmacher epileptischer Anfälle wirken und eine medikamentöse Therapieresistenz mitbegründen können (Sisodiya 2001). Eine Schlüsselrolle könnten hier Schrittmacherzellen mit sehr hohen Entladungsraten (400 – 1000 Hz) übernehmen.

Eine Besonderheit stellen die medio-temporalen Strukturen des Hippocampus und der Amygdala dar. Hier kommt es durch frühe Traumatisierung oder im Gefolge epileptischer Anfallsaktivität zu Sekundärveränderungen mit neuronalem Zelluntergang. Gleichzeitig beginnen Regenerationsmechanismen, wie z. B. Moosfaser-Sprossungen und neuronale Neogenese aus Vorläuferzellen das physiologische Netzwerk auf- und umzubauen. Dies führt zu einer verstärkten Synchronisation neuronaler Zellverbände über Tangentialverbindungen und zu einer rekurrenten Selbsterregung von Neuronen durch neu ausgesprosste Axone (McNamara JO, 1999). Dieser Prozess scheint insgesamt fortschreitend stattzufinden und rechtfertigt Überlegungen in Richtung einer neuroprotektiven Therapie (Temkin 2001).

Bei Nachweis einer medikamentösen Therapieresistenz hat sich die operative Therapie bei Patienten mit Temporallappenepilepsie als hoch überlegen dargestellt (Wiebe et al 2001).

Nach Anfällen kommt es zu einer verstärkten „Neugeburt“ von Neuronen aus den inzwischen auch beim Erwachsenen nachgewiesenen Stammzellen im Hippocampus. In welchem Umfang diese in den Reparaturmechanismus eingreifen und welche Rolle sie im einzelnen bei der Ausbildung der aberranten neuronale Verschaltungen führen können, ist bisher ungeklärt. (Kokaia Z, Lindvall O, 2001).