Genetik

Die genetischen Grundlagen der Entwicklung der verschiedenen Epilepsien sind komplex und nur teilweise geklärt. Die Zuordnung des genetischen Defektes gelang bisher nur bei selteneren Syndromen mit vergleichsweise einfachem Erbgang (Berkovic und Scheffer 1999, Briellmann et al 2001)(Tabelle siehe unten). Aktuelle Ergebnisse der genetischen Grundlagenforschung weisen darauf hin, dass es sich bei einem Teil der Epilepsien um Ionenkanalerkrankungen handelt. Hierbei können verschiedene Subtypen von Kalium-, Natrium- und Calciumkanälen betroffen sein. Bei der Gruppe der idiopathisch-generalisierten Epilepsien scheint es zu einer Interaktion verschiedener Gene zu kommen. Kürzlich konnte gezeigt werden, dass die Schwere einer Temporallappenepilepsie durch genetische Polymorphismen moduliert werden kann (Stogmann et al, 2002)

Bei der Gruppe der kortikalen Dysplasien kommt es offenbar zur Fehlentwicklung von Steuerproteinen der neuronalen Migration wie z. B. des Filamins (Fox et al, 1998).

Tabelle (siehe unten) Einige Beispiele für bekannte Einzelgenmutationen

Gene Lokalisation Epilepsiesyndrom Referenz
CHRNA4 20q Nächtliche 
autosomal-dominante 
Frontallappen-Epilepsie
Steinlein et al 1995
CHRNB2 1q Nächtliche autosomal-dominante 
Frontallappen-Epilepsie
De Fusco et al 2000
KCNQ2 20q Gutartige Neugeborenenkrämpfe Singh et al 1998
KCNQ3 8q Gutartige Neugeborenenkrämpfe Charkier et al 1998
SCN1B 19q Generalisierte Epilepsie und 
Fieberkrämpfe
Wallace et al 1998
SCN1A 2q Generalisierte Epilepsie und 
Fieberkrämpfe
Escayg et al 2000
GABRG2 5q Generalisierte Epilepsie und 
Fieberkrämpfe
Baulac et al 2001
GABRG2 5q Fieberkrämpfe/Absence-Epilepsie des 
Kindesalters
Wallace et al 2001
Filamin Xq28 Periventrikuläre Heterotophie Fox et al 1998

 

CHRNA4: Gen für den a-4 Abschnitt des Liganden gesteuerten neuronalen nikotinischen Acetylcholinrezeptors

CHRNB2: Gen für den b-2 Unterabschnitt des nikotinischen Acetylcholinrezeptors

KCNQ2, KCNQ3: Spannungsabhängiger Kaliumkanal

SCN1B, SCN1A: Gen für den b-1- und a-1-Abschnitt des spannungsabhängigen neuronalen Natriumkanals

GABRG2: Gen für den g-2-Abschnitt des GABA–A Rezeptors

Genetische Beratung

Das Risiko einer Vererbung der Epilepsie ist syndromabhängig. Zudem ist es ein großer Unterschied ob ein oder beide Elternteile betroffen sind. In der zahlenmäßig großen Gruppe der Epilepsien fokalen Ursprungs beträgt das Risiko einer Erkrankung für Nachkommen 3-4% wenn nur ein Elternteil erkrankt ist. Bei Vorliegen einer idiopathisch generalisierten Epilepsie beträgt das Risiko für Nachkommen 5-7%. Bei mütterlicher Belastung ist es etwas höher als bei väterlicher. Die Wahrscheinlichkeit der Vererbung von Fieberkrämpfen liegt bei 10% (väterliche Belastung) bis 20% (mütterliche Belastung).