Anamnese / Fremdanamnese
Wesentliche Bausteine der Diagnose sind Anamnese und Fremdanamnese. Man beginnt mit der eigentlichen Anfallsanamnese und orientiert sich entlang der zeitlichen Achse des Anfallsereignisses wie in der folgenden Tabelle dargestellt:
Anfallselement | Beispiel |
Prodromi | Depression, Gereiztheit |
Provokationsmechanismus | Schlafentzug, Flickerlicht |
initiale Anfallszeichen | Aura: epigastrische Übelkeit, Angst, visuelle Halluzinationen oder kontralaterale Klonien, forcierte Blickwendung nach lateral |
Anfallsausbreitung | Jacksonian March, zunehmende Bewusstseinsstörung, Arrest, Auftreten von Automatismen |
Generalisation | generalisierte tonische, klonische oder tonisch-klonische Phase |
Anfallsende | Ende der sensorischen oder motorischen Phänomene |
postiktale Symptome | Umdämmerung, Desorientierung, postiktale Lähmungen (Toddsche Parese), postiktale Dysphasie, Erholungsschlaf, Müdigkeit |
Begleitphänomene | Verletzungen, lateraler Zungenbiss, Einnässen, Einkoten, postiktaler Muskelkater |
Dauer des Anfalls | Sekunden bis Minuten |
Anfallsfrequenz | hochvariabel, vom einzelnen Anfall bis zu mehreren 100/Tag |
tageszeitliche Bindung | z. B. morgendliche Absencen, Aufwach-Grand-Mal |
Bei der Erhebung der übrigen Anamnese sind die folgenden Punkte wichtig:
- Schwangerschaft, Geburt, frühkindliche Entwicklung
- Familienanamnese
- Hinweise auf ZNS-Erkrankungen
- Hinweise auf weitere Erkrankungen
- Bisherige Medikation nach Substanz, Dosis, Wirkung, Verträglichkeit
- Bisherige klinische Untersuchungsergebnisse
- Bisherige apparative Untersuchungsergebnisse
Zwingend erforderlich ist die Erhebung einer Fremdanamnese, da der Patient selbst wegen der partiellen oder vollständigen Bewusstseinsstörung und der damit verbundenen partiellen oder vollständigen Amnesie zumeist nur Prodromi, initiale Anfallselemente und postiktale Phänomene beschreiben kann.
Klinische Untersuchung
Eine vollständige neurologisch-psychiatrische Untersuchung ist insbesondere bei Erstmanifestation durchzuführen. Sie dient dem Nachweis bzw. Ausschluss symptomatischer Ursachen. Kurz nach dem Anfall können zum Teil neurologische Defizite wie kontralaterale Paresen, Dysphasien oder Gedächtnisstörungen nachgewiesen werden. Diese bilden sich bei jungen Patienten innerhalb von Minuten bis Stunden und bei alten Patienten innerhalb von Stunden bis Tagen zurück. Psychiatrische Auffälligkeiten wie Depressionen, Psychosen und Verhaltensstörungen müssen erfragt werden.