Behandlungsende

Die Entscheidung zur Beendigung der antikonvulsiven Behandlung sollte individuell in Abhängigkeit vom unterlagernden Syndrom, der spezifischen Betroffenheit des Patienten und seiner psychosozialen Situation getroffen werden. Ein erster Reduktionsversuch sollte bei ausgeheilten akuten symptomatischen Epilepsien, wie z. B. einer ausreichend behandelten Meningitis, nach 6–12 Monaten erfolgen. Bei fokalen Epilepsien kann nach 2–3 Jahren Anfallsfreiheit und bei idiopathisch generalisierten Epilepsien nach 3–5 Jahren Anfallsfreiheit ein Absetzversuch unternommen werden. Bei den idiopathisch generalisierten Epilepsien ist eine Verschlechterung des EEGs mit Wiederauftreten generalisierter Spike-Wave-Potentiale besonders ungünstig und sollte zum Abbruch des Reduktionsversuches auf dem erreichten Niveau, gegebenenfalls zur Wiederaufdosierung führen. Bei Epilepsien fokalen Ursprungs besteht eine nicht so enge Korrelation zwischen dem Auftreten epilepsietypischer Potentiale im interiktalen EEG und der Wahrscheinlichkeit von Anfallsrezidiven. Jedoch weisen auch hier hochfrequente, polytope oder zur Generalisation neigende, epilepsietypische Potentiale auf eine hohe Wahrscheinlichkeit eines Anfallsrezidivs hin. Prinzipiell sprechen für ein

niedriges Risiko auf ein Anfallsrezidiv:

  1.  Anfallsfreiheit schon bei niedriger antikonvulsiver Dosierung,
  2.  niedrige Anfallsfrequenz,
  3.  unauffälliges EEG,
  4.  keine oder nur kleine und umschriebene kortikale Läsionen im MRT,
  5.  kurze Epilepsiedauer.

Bei idiopathisch generalisierten Epilepsien mit Absencen, Myoklonien oder Aufwach-Grand-Mal muss wegen der genetischen Prädisposition ohne antikonvulsiven Schutz bei mehr als 80 % der Patienten langfristig mit Anfallsrezidiven gerechnet werden. Liegt eine reine Absence-Epilepsie vor, ist das Rezidivrisiko jedoch deutlich geringer (ca. 30–40 %). Das langfristige Rezidivrisiko ist auch bei Epilepsien fokalen Ursprungs mit komplex-partiellen Anfällen und sekundär generalisierten tonisch-klonischen Anfällen hoch (60–70 %). Wenn nur einfach-partielle Anfälle beobachtet wurden, ist es geringer (ca. 25 %). Das Rezidivrisiko in dieser Patientengruppe steigt über 80 % hinaus bei Vorliegen: 1. großer oder multipler kortikaler Läsionen, 2. multipler epileptogener Zonen im EEG, 3. nachgewiesener hippocampaler Sklerose, 4. Anfallsfreiheit erst unter antikonvulsiver Höchstdosierung, 5. gewisser Syndrome: West-Syndrom, Lennox-Gastaut-Syndrom, Phakomatosen, kortikale Dysplasien (siehe Kapitel „Prognose“).